Digitale Technologien und Plattform für die Prognose und Betriebsoptimierung von Trinkwasserversorgungs-Systemen

Zielsetzung

Wesentliche Innovation und Zielstellung im vorgeschlagenen Projekt ist die Entwicklung einer Plattform zur robusten Echtzeit- Trinkwasser-Betriebsoptimierung, basierend auf einem Digitalen Zwilling des Trinkwasser-Netzes, einer Prognose-Toolbox und Optimierungs-Tools.

Der Betrieb von Trinkwasser-Infrastrukturen kann hinsichtlich unterschiedlicher Ziele optimiert werden. Im Rahmen dieses Projektes soll die neuartige Digitale Plattform exemplarisch anhand von zwei Use Cases angewandt und evaluiert werden:
▪ Use Case 1: Energetische Optimierung als Beitrag zur Klimaneutralität: maximierte Nutzung regenerativ erzeugten Stroms
▪ Use Case 2: Optimierung der Trinkwassergewinnung und -aufbereitung (Wasserenthärtung): Bedarfsgerechte Wasseraufbereitung und damit Minimierung des Einsatzes von Chemikalien.
Diese Use Cases sollen anhand der Trinkwasser-Infrastruktur von Bühl (Baden) prototypisch realisiert und im praktischen Einsatz untersucht werden. Weiterhin soll anhand der Fernwasserversorgung Thüringen in einer Studie untersucht werden, welches Potential bei der Anwendung der neuartigen Plattform für Use Case 1 dort gegeben ist (Optimierung des Pumpeneinsatzes unter Nutzung regenerativen Stroms).

Digitale Plattform zur Betriebsoptimierung von Trinkwasserinfrastrukturen

Projektpartner

Das Konsortium des Verbundvorhabens setzt sich aus den drei Forschungspartnern FhG IOSB, geoSYS und 3S Consult zusammen. Hinzu kommen als Unterauftragnehmer und Anwendungspartner die Stadtwerke Bühl sowie als assoziierter Partner die Fernwasserversorgung Thüringen.

Die 3S Consult GmbH verfügt über mehr als fünfunddreißig Jahre Erfahrung in der Entwicklung von mathematischen Modellen für die thermo-hydraulische Simulation von Druckrohrsystemen wie sie z. B. in der Trinkwasserversorgung, Gasversorgung und in der Fernwärme anzutreffen sind. Hinzu kommen spezielle Simulationswerkzeuge für Gas- und Öl-Pipelinesysteme. Das Hauptgeschäftsfeld von 3S besteht aus der Kombination von Entwicklung und Verkauf der proprietären Softwareprodukte SIR 3S® (Hydrauliksimulation), KANEW 3S® (Asset Management) und HYDKA 3S® (Kläranlagensimulation) mit einem umfangreichen Beratungs- und Dienstleistungsangebot zu hydraulischen Problemstellungen.

Zu den Kunden, welche die 3S eigene Software SIR 3S® einsetzen, gehören Integratoren wie die Leitsystemhersteller Hitachi (z.B. in der Verbundleitstelle der Stadtwerke Bochum) und Siemens sowie Anwender wie die Netzbetreiber Hannover und Gelsenwasser. Zahlreiche Wasserversoger sind Dienstleistungskunden von 3S in folgenden Bereichen: Netzberechnung, Druckstoß-berechnungen, Netzmessungen, Zielnetzplanung, Betriebsoptimierung (Zusammenspiel Netz und Anlagen), Spülplanermittlung und -optimierung, Instandhaltungsstrategie IKOS mit SIR 3S (Hydraulik, Zuverlässigkeits- und Risikoanalyse) plus KANEW (Asset-Strategie und Instandhaltungsplanung).

Um die Know-how Basis von 3S Consult zu erweitern sowie die eigene Software SIR 3S® bestmöglich auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten, um Spitzentechnologie in einem weltweiten Maßstab anbieten zu können, werden bei 3S Consult kontinuierlich FuE-Projekte bearbeitet. 3S war und ist seit Bestehen in eine Reihe von nationalen und internationalen Forschungskooperationen involviert (z. B. SMaRT-OnlineWDN, ResiWater, SAFEWATER, Twist++). Die Modellierungssoftware SIR 3S® wurde im KMU-Innovativ Projekt ONSOPT bereits zur Entwicklung von optimierten Steuerstrategien für regionale Trinkwasserversorger eingesetzt. Im Vorhaben W-Net4.0 arbeitet 3S Consult derzeit gemeinsam mit den Partnern an der Bereitstellung von GIS-integrierten Simulations- und Analysefunktionen für kleine und mittlere Trinkwasserversorger.

3S Consult arbeitet an der Umsetzung eines Digitalen Zwillings für das Hauptversorgungsnetz des Trinkwasserversorgers SW Bühl. Dazu muss das bestehende Simulationsmodell datentechnisch an alle relevanten Informationen aus dem Leitsystem angebunden werden. Im zweiten Ausbauschritt werden die Schnittstellen zur Prognosetoolbox implementiert. Diese beiden Vorarbeiten bilden gemeinsam die Grundlage für die Entwicklung der Betriebsoptimierung. Die Aufgabe von 3S ist es dabei, den geeigneten mathematischen Optimierungsansatz zu bestimmen und mit der Echtzeit-Simulation und Prognose in einem Zustandsautomaten zu verbinden, der automatisiert Vorschläge für die Pumpensteuerung (optimierte Fahrweisen) berechnet. Zur Visualisierung werden die berechneten Ergebnisse über Schnittstellen zur Verfügung gestellt.

Das IOSB entwickelt und betreibt seit vielen Jahren Web-basierte Plattformen zum Monitoring und der Optimierung von unterschiedlichen Prozessen, z.B. für Trinkwassernetze/Fernwärmenetze, zur energetischen Optimierung von großen Liegenschaften und für industrielle Produktionsprozesse. Die Kompetenzen dazu hat sich das IOSB in einer Reihe von nationalen und internationalen Forschungsprojekten erarbeitet. Im Bereich Monitoring und Betriebsoptimierung von Trinkwassernetzen war bzw. ist das IOSB in die Projekte SMaRT-OnlineWDN, ResiWater, SAFEWATER und W-Net 4.0 involviert (mit dem IOSB als Konsortialführer). Diese Projekte wurden in Kooperation mit einer Vielzahl von Wasserversorgern durchgeführt (z.B. Berliner Wasserbetriebe, Wasserversorgung Zürich, Straßburg, Paris (SEDIF), Jerusalem). Dadurch hat sich das IOSB ein sehr breites Wissen über Trinkwasser-Infrastrukturen erarbeitet. Methodisch hat das IOSB neben Web-Plattformen an der Entwicklung und Anwendung von Simulations-Tools sowie Algorithmen zur Event-Detection gearbeitet.

Im Bereich KI / Machine Learning (u.a. Verbrauchsprognose-Algorithmen) hat das IOSB umfangreiche Vorarbeiten geleistet. Hier sind beispielsweise das kürzlich abgeschlossene Fraunhofer-Projekt „Machine Learning for Production“ (ML4P) sowie das „Kompetenzzentrum KI-Engineering Karlsruhe“ (CC-King) zu nennen. In den Projekten wurden Software-Tools und Vorgehens-Modelle im Bereich Machine Lerning und KI-Verfahren entwickelt und angewandt. Im Kontext Energie-Optimierung hat das IOSB in den BMWi-geförderten Projekten dynOpt-En (www.dynopt.de) sowie dem noch laufenden Projekt ML4Heat (www.ml4heat.de) an der Entwicklung von Verbrauchsprognose-Verfahren sowie Optimierungsverfahren gearbeitet.

Das IOSB ist weiterhin im Bereich Industrie 4.0 in Gremien, Normungsaktivitäten und Forschungsprojekten aktiv (z.B. Industrial Data Space, Plattform Industrie 4.0). Dr. Thomas Bernard ist im europäischen Kontext seit 2015 in einem Arbeitskreis zum Schutz kritischer Infrastrukturen aktive (ERNCIP Thematic Group „Chemical and Biological Risks to Drinking Water“).

In TwinOptPRO hat das IOSB einen Schwerpunkt bei der Entwicklung der Prognose-Toolboxen (AP 2) sowie beim Aufbau und Betrieb der digitalen Plattform und der Dashboards. Darüber hinaus wird das IOSB die Arbeiten zur Feinspezifikation koordinieren und bei der datentechnischen Anbindung des Simulationsmodells und des Optimierers unterstützen.

geoSYS ist seit 20 Jahren im Bereich der räumlichen Informationstechnologien tätig und entwickelt Software, Webmapping-Lösungen und Portale und berät Kunden bei der Einführung und Umsetzung ihrer GIS-Projekte und Strategien. geoSYS ist international tätig und unterstützt Regierungen, Verwaltungen, Organisationen und Unternehmen mit räumlichen Analysen und Modellen, dem Aufbau und der Entwicklung von Geodateninfrastrukturen, Geo-Apps und Geodatenbanken, der Entwicklung von GIS-Software und Plugins sowie der Visualisierung in Karten und Webapplikationen. Bei unterschiedlichen Anwendungsfeldern sind es insbesondere Umwelt- und Klimafragestellungen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Hierzu gehören die Untersuchung von Auswirkungen des Klimawandels und Entwicklung von Anpassungsstrategien, Vulnerabilitätsanalysen, Monitoring von Feucht- und Dürregebieten und die Analyse und Auswertung von Umweltveränderungen.

So entstanden u.a. ein webbasiertes Monitoring-System zur automatisierten Auswertung von Erosionsprozessen, eine Software-Lösung zur automatisierten Bilanzierung und Auswertung der Wasserverfügbarkeit (Ecoserve) oder das Klima-Informationssystem Open Climability Platform (OCS), ein Web-Dashboard zur Visualisierung von Klimamessdaten und verschiedenen Klimaparametern.

Das Wissen über Daten, administrative Strukturen und Geo-Analysen wird aber auch in den Bereichen der Energie- und Wasserversorger, der Telekommunikation und im Bereich Geomarketing eingebracht. So gibt es regelmäßig eine Zusammenarbeit mit Betreibern von Netzinfrastrukturen, für die maßgeschneiderte Software-Applikationen entwickelt werden. Hervorzuheben ist hier beispielsweise die Entwicklung einer kompletten Geo-Infrastruktur (GIS-Portal) mit komplexen Auswerte- und Analysefunktionen für die Thüringer Energienetze AG (TEAG).

geoSYS setzt bei der Software-Entwicklung überwiegend auf Open Source Komponenten auf und entwickelt nachhaltige, moderne, flexible und erweiterbare Lösungen

geoSYS wird insbesondere in zwei Themenfeldern zum Projekt beitragen. Zum einen ist dies die hydrologische Modellierung unter Berücksichtigung der klimatischen / wetterbezogenen Parameter zur Erstellung der Wasserbedarfs- und Wasserdargebotsprognosen. Dies umfasst die Abstimmung und Implementierung der erforderlichen Sensorik mit den Stadtwerken Bühl. Die Datenübertragung und Modellierung wird anschließend mit dem IOSB abgestimmt, das für das Hosting der Datenbasis zuständig ist. Das zweite Themenfeld umfasst die Visualisierung der Prognoseergebnisse in einer webbasierten Dashboard-Lösung, die nutzerspezifisch angepasst wird und das zentrale Informations- und Kontrollsystem bildet

Die SWB sind der regionale Anbieter für Strom, Erdgas, Wärme, Telekommunikationsdienstleistungen und Wasser in der Stadt Bühl und Umgebung. SWB betreibt dazu Netze zur Energielieferung und Trinkwasserversorgung, zusätzlich bieten sie energienahe Dienstleitungen an. SWB liefert seit mehr als 110 Jahren Trinkwasser für die Stadt Bühl und versorgt rund 30.000 Einwohner. SWB sind Mitglied der Kooperationsgemeinschaft SchwarzwaldWASSER und pflegen darüber einen Informationsaustausch mit derzeit 56 Wasserversorgungsunternehmen in Baden-Württemberg. Darüber hinaus sind SWB Betriebsführer des Zweckverbands Wasserversorgung Bühl und Umgebung, des Zweckverbands Gruppenwasserversorgung am alten Brunnen, der Wasserversorgung der Gemeinde Sasbach und der Wasserversorgung der Gemeinde Ottersweier.

Die Wasserversorgung der Stadtwerke Bühl stützt sich auf mehrere Säulen. Seit über 110 Jahren nutzen wir die Quellen in der Vorbergzone von Bühl und in den Hochlagen der Bühler Gemarkung. Das Rohwasser wird aus den Quellen zu unserer Quellwasseraufbereitungsanlage am „Immenstein“ geleitet. Dort erfolgt die Aufbereitung mittels physikalischer Verfahren. Wir decken ca. 2/3 unseres Wasserbedarfs über den Zweckverband Wasserversorgung Bühl und Umgebung.

Die SWB stellen im Projekt alle notwendigen Daten zur Verfügung, zusätzlich werden typische Lastprofile für verschiedenen Verbrauchergruppen erstellt. Die Automatisierungssysteme für den Betrieb der Wasserversorgungsanlagen werden soweit möglich ertüchtigt oder wo erforderlich ersetzt. Im laufenden Projekt werden operative Prozesse hinterfragt und auf der Basis der erarbeiteten Ergebnisse im Projekt laufend angepasst. Zusätzlich wird ein Lösungsansatz entwickelt, wie die Optimierung der betrieblichen Abläufe und hier insbesondere der Steuerung der Anlagen unter den Gesichtspunkten und Anforderungen eines Informationssicherheitsmanagementsystems im Bereich kritischer Infrastrukturen implementiert werden kann.

Die Thüringer Fernwasserversorgung (FWT) ist als Anstalt des öffentlichen Rechts kompetenter Dienstleister auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft. Sie stellt aus den Thüringer Trinkwassertalsperren rund 55 Prozent des Trinkwassers im Freistaat. Zu den Aufgaben zählen der Bau und Betrieb von über 120 Stauanlagen, die Trinkwasseraufbereitung und -versorgung, der Hochwasserschutz sowie die Bereitstellung von Brauchwasser für landwirtschaftliche oder industrielle Zwecke. Derzeit beschäftigt die FWT rund 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine qualitativ einwandfreie und sichere Betreuung der Anlagen garantieren. Durch den Betrieb von zehn Wasserkraftanlagen leistet FWT einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende. FWT hat sich das Ziel gesetzt, alle wirtschaftlich nutzbaren Wasserkraftpotenziale zu erschließen und so die Energieeffizienz des Unternehmens weiter zu steigern. Im Jahr 2020 hat FWT aus Wasserkraft circa 14,2 Mio. kWh elektrische Energie erzeugt (der Strombezug aus dem öffentlichen Netz betrug ca. 9,5 Mio. kWh)[1]. Im Jahr 2014 wurde FWT erstmals nach der DIN EN ISO 50001 zertifiziert. Seitdem werden eine stetige Steigerung der Energieeffizienz des Unternehmens erreicht und Optimierungspotenziale erkannt. Für den systematischen Ansatz des Energiemanagementsystems wurde eigens eine Energiepolitik als Teil des Unternehmensleitbildes verfasst.

Arbeitspakete

Die Komplexität der zu leistenden Entwicklungsarbeiten zur Erreichung der gesetzten Ziele erfordert ein breites Know-how in verschiedenen Bereichen: Datenbanken, Hydrogeologie, Datenanalyse, Prognose und KI, Netzsimulation, Kommunikation, Sensorik, Softwareentwicklung.

Das Projekt ist in sechs Arbeitspakete (AP) untergliedert, wobei ein AP der Koordination und dem Ergebnistransfer gewidmet ist. Die Projektkoordination wird von 3S Consult übernommen.

Auf organisatorischer Ebene sind zunächst die Aufgabenverteilung abzustimmen sowie eine detaillierte Spezifikation der beiden Use-Cases zu erstellen. Die Anforderungen aus den Use-Cases werden daraufhin in die technischen Anforderungen an die einzelnen Komponenten und Algorithmen übersetzt.

Implementierung von Prognose-Modulen für

  • Wasserbedarfs
  • Wasserdargebot von Quellen
  • Verfügbarkeit regenerativer Energien

Das bestehende Simulationsmodell der SW Bühl wird an die Plattform datentechnisch angebunden. Neben den Prognosen werden Prozessdaten aus dem Leitsystem über die Plattform bezogen und das Simulationsmodell automatisch auf den aktuellen Betriebszustand eingestellt -> Digitaler Zwilling.

Der Optimierer hat die Aufgabe, durch geschickte Wahl der Schaltzeiten von Pumpen und Mischungsverhältnissen den Energieeinsatz nicht-regenerativer Energien sowie den Einsatz von Chemikalien für die Wasserenthärtung zu minimieren. Zur Überprüfung der Zulässigkeit der berechneten Fahrvorschläge kommt eine weitere Simulationsinstanz zum Einsatz.

Das Arbeitspaket beinhaltet die Mensch-Computer-Schnittstellen für den operativen Betrieb. Die offene Datenplattform stellt die zentrale Datengrundlage zur Verfügung. Elementar sind die offenen Schnittstellen, (API’s), die es erlauben beliebige Systeme einzubinden.

Das Dashboard-System bildet das zentrale Informations-, Steuerungs- und Kontrollsystem. Es bildet eine funktionale Einheit mit den Ereignis- und Alarmsystem.

Die Plattform wird anhand der folgenden zwei Use-Cases für das Trinkwasserversorgungssystem der SW Bühl getestet und evaluiert:

  • Energetische Optimierung als Beitrag zur Klimaneutralität
  • Optimierung der Trinkwassergewinnung und -aufbereitung (Wasserenthärtung)

Die Arbeiten und (Teil-)Ergebnisse des Projekts sollen frühzeitig einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden. Vorgesehen sind dazu Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und im Web, Präsentationen in Fachgremien. Außerdem sollen in regelmäßigen Abständen im Rahmen von Workshops aktuelle Projektergebnisse auch anderen Wasserversorgern vorgestellt werden.

Ergebnisse

Hier werden die Ergebnisse, die im Laufe der Projektbearbeitung erzielt werden, veröffentlicht.

Kontakt

3s-team-deuerlein

Dr.-Ing. Jochen Deuerlein
3S Consult GmbH
Büro Karlsruhe
Albtalstraße 13
76137 Karlsruhe

Telefon: +49-721-2039752-1
E-Mail: